Am Odeonsplatz protestieren Eltern und Kinder für bezahlbare Kita-Plätze.

(Foto: Robert Haas)

Viele Eltern sind verunsichert, fürchten hohe Kosten für die Betreuung. Wenn im September ein neues Kita-Fördermodell in Kraft tritt, müssen manche bis zu 1000 Euro mehr pro Monat zahlen. Dagegen protestieren sie.

Mütter und Väter haben Plakate gemalt, sie haben ihre Kinder eingepackt und sind am Mittwochnachmittag auf den Odeonsplatz gekommen, weil sie sich Sorgen machen. Und weil sie wütend sind. "Wir fordern bezahlbare Kita-Plätze für alle", rufen sie. Und eine Mutter sagt, dass sie nicht mehr arbeiten gehen braucht, wenn sie für ihre beiden Kinder insgesamt 2000 Euro an Betreuungsgebühren zahlen muss.

Die Eltern sind gekommen, weil sie Angst haben, in Zukunft deutlich mehr für die Betreuung ihrer Kinder zahlen zu müssen als bisher. Bis zu 1000 Euro mehr für einen Krippenplatz, solche Summen stehen im Raum, manch ein privater Träger kündigte bereits solche Preissteigerungen an. Klar ist, dass sich die Kita-Förderung in München ändern wird, und zwar mit dem neuen Kindergartenjahr, das im September 2024 beginnt. Eltern, die ihr Kind für eine Krippe oder einen Kindergarten neu anmelden, müssen das bis zum 13. März tun, das ist der Stichtag im sogenannten Kita-Finder, dem Onlineportal, über das in München die meisten Kitaplätze vergeben werden.

Tobias Cloppenburg-Baumann hat die Demo gemeinsam mit anderen Eltern organisiert, etwa 500 Leute sind gekommen, schätzt die Polizei. "Viele Eltern wissen nicht, was sie machen sollen, sie fühlen sich alleingelassen", sagt Tobias Cloppenburg-Baumann. Sie machten sich Sorgen, wie sie die Kita in Zukunft bezahlen sollen. "In ein paar Wochen beginnt wieder die Lotterie, ob ich einen bezahlbaren Kitaplatz bekomme oder nicht", sagt der Vater einer Zweijährigen. "Viele haben gar keine andere Möglichkeit, als eine private Kita zu nehmen."

Auch seine Tochter werde in einer privaten Kita betreut, sagt er. Derzeit wird die noch über das städtische Kita-Fördermodell bezuschusst, die Gebühren für die Eltern sind niedrig. Ob das so bleibt, ist unklar, sagt Cloppenburg-Baumann. Der Träger habe bisher nicht mitgeteilt, ob er sich dem neuen Fördersystem anschließen wird. Ein anderer Vater sagt, es widerstrebe seinem Gerechtigkeitsgefühl, dass die einen Eltern deutlich mehr zahlen müssten als die anderen - nur weil sie keinen geförderten Kitaplatz bekommen haben.

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"Ich kann den Unmut der Familien sehr gut verstehen", teilt Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) mit. "Doch unkonkrete Gebührenankündigungen in Elternbriefen helfen hier nicht weiter." Mit dem neuen Verfahren werde sich für rund 90 Prozent der Familien fast nichts ändern. Sie fügt hinzu: "Wenn die Eltern die MFF retten wollten, müssten sie vor der Staatskanzlei oder dem Sozialministerium demonstrieren, denn die Staatsregierung könnte die gesetzliche Grundlage schaffen, die MFF zu erhalten."

Ein sogenanntes Defizitausgleichsverfahren soll ab dem 1. September 2024 das bisherige Fördermodell, die Münchner Förderformel (MFF), ersetzen. Nötig wurde dies, weil das Verwaltungsgericht 2021 die MFF für rechtswidrig erklärt hatte, ein privater Kitaträger hatte dagegen geklagt. Anfang Februar haben die beiden zuständigen Ausschüsse das neue Fördersystem für Münchens Kitas beschlossen, Ende Februar ist es Thema in der Vollversammlung des Stadtrats.

Unklar ist bisher, wie viele Träger sich diesem neuen Fördersystem anschließen werden. Insgesamt gibt es in München rund 1530 Kitas, darunter 460 städtische Einrichtungen. Außerdem gibt es 485 freie gemeinnützige Träger, darunter etwa Caritas, Diakonie oder Paritätischer, rund 350 privat-gewerbliche Kitas und rund 230 Eltern-Kind-Initiativen. "Derzeit profitieren alle Eltern in städtischen Einrichtungen, Eltern-Kind-Initiativen und in Einrichtungen der Münchner Förderformel von niedrigen Gebühren - das entspricht rund 83 Prozent aller Münchner Plätze", teilt eine Sprecherin des Bildungsreferats mit.

"Was alle Träger eint, ist die große Unsicherheit"

Die Eltern-Kind-Initiativen haben ein eigenes Fördermodell mit günstigen Gebühren, dabei soll es erst einmal bleiben, auch bei den städtischen Kitas wird sich wenig ändern. Die 835 Kitas in frei gemeinnütziger und privat-gewerblicher Trägerschaft können zum 1. September in das neue Fördersystem wechseln. Bisher werden 618 von ihnen über das Fördersystem bezuschusst. Viele Träger hätten die Eltern bereits informiert, dass sie am Nachfolgemodell teilnehmen werden, teilte eine Sprecherin des Bildungsreferats mit. Wie viele am Ende wirklich mitmachen, das weiß noch keiner.

"Was alle Träger eint, ist die große Unsicherheit", sagt Manuela Sauer vom Paritätischen, viele Fragen seien noch offen. Momentan sei es schwierig, verlässlich auszurechnen, ob das neue Fördermodell für eine Einrichtung geeignet sei, sagt Sauer. "Deshalb können wir auch noch nicht an die Eltern weitergeben, ob wir dabei sein werden oder nicht und wie hoch die Gebühren sein werden." Man wolle gemeinsam mit der Politik gute Lösungen finden, sagt Sauer. "Aber so, wie es im Moment aussieht, wird es für viele Träger ein Problem geben. Und dann kann es sein, dass die Bildungsgerechtigkeit in München auf der Kippe steht."

Die Unruhe bei den privaten Kitas sei enorm, sagt Benjamin Tajedini. Er ist Vorstandsvorsitzender des Dachverbands der privaten Kitas in Bayern. "Sie haben Angst, dass sie auf Kosten sitzen bleiben und eine Insolvenz riskieren." Viele Träger hätten Bedenken ausgedrückt - auch wenn sie eigentlich im Fördersystem der Stadt bleiben wollten.

Man gehe davon aus, dass der geplante Defizitausgleich für einen Großteil der Träger von Münchner Einrichtungen attraktiv ist, teilt eine Sprecherin des Bildungsreferats mit. Nach der Vollversammlung im Stadtrat soll es ein Informationspaket zur neuen Förderung geben, Schulungen seien geplant. Und es wird eine Abfrage geben, welche Träger sich dem neuen Fördermodell anschließen werden.

Die Demo ist inzwischen auf dem Marienplatz angekommen, "wir wollen Fairness für alle Münchner Kinder", ruft Tobias Cloppenburg-Baumann ins Mikrofon. Dann drehen sie das Pippi-Langstrumpf-Lied auf, "Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt", schallt es über den Platz. Die Eltern klatschen, die Kinder tanzen.