Vor ein paar Tagen erhielt Doc Baumann die freundliche Einladung, bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung einen Vortrag über „Die Macht der Bilder“, insbesondere über Bildmanipulation mit Photoshop zu halten. Eine Anfrage aus einer eher unerwarteten Ecke – aber warum nicht? Mal eine ganz neue Erfahrung. Das Stundenhonorar von 4,40 € war zwar nicht so begeisternd – aber das war bei weitem noch nicht alles an finanziellen Zumutungen.

Natürlich kann eine KI nicht wissen, wie ich aussehe, wenn sie nicht darauf trainiert wurde. Die komplexe Anforderung, einen alten Referenten zu zeigen, der unterbezahlt ist, war wohl etwas zu anspruchsvoll. Mit Deep Dream Generator entstand dann schließlich dieses Bild des Referenten, der mit einem Teller durch die Reihen der Studentinnen und Studenten geht, um ein paar klägliche Münzen für die Rückfahrt zu erbetteln – auch wenn die eher aussehen wie silberne Pillen. Aber wer weiß – vielleicht war das ja genau die empathische Absicht hinter der Darstellung ... Das gerahmte Foto von Adenauer im Hintergrund wurde per Photoshop eingefügt.

Mitte Januar erreichte mich eine an DOCMA gerichtete E-Mail mit einer Anfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung, im März einen Vortrag zu halten. Es ging um ein Initiativseminiar mit dem Titel „Die Macht der Bilder – Wie Fotos uns und die Weltgeschichte beeinflussen“ in Chemnitz. Man wolle sich verschiedene Aspekte dieses Themenkomplexes anschauen – vom emotionalisierenden Potential von Bildern aus medienpsychologischer Perspektive über die Funktion historische Bilder im kollektiven Gedächtnis bis hin zu fotopraktischen Übungen.

Für einen der Tage war eine Einheit zum Thema „Photoshop, Inszenierungen und rote Kreise: Wie werden Fotos manipuliert – und wie erkennen wir, was wir sehen sollen?“ geplant. Ziel sei es, Formen von Manipulation kennenzulernen, für die kritische Betrachtung und das Hinterfragen von Bildern zu sensibilisieren und ein vertieftes Verständnis der Macht und Wirkung von Bildern zu vermitteln. Wie beeinflussen Elemente eines Fotos unsere Wahrnehmung? usw.

Na klar, dazu hätte ich schon einiges zu sagen. Stipendiaten dieser Stiftung liegen zwar kaum auf meiner politischen Wellenlänge, aber es ja auch durchaus interessant und lehrreich sein, mit Menschen anderer Anschauungen ins Gespräch zu kommen.

Gerne würde man mich als Referenten hierfür gewinnen, „als Experte, der sich unter anderem mit der Entlarvung von Bildfälschungen auseinandersetzt und sich auch mit weiterführende Thematiken wie die Rolle der KI beschäftigt“, ich sei ideal geeignet und könnte der Gruppe sicherlich neue und weiterführende Impulse geben. Ob es für mich denkbar sei, „in diesem Zusammenhang eine Einheit zu den oben aufgeführten Fragen bei uns zu übernehmen?“

Eines allerdings wollte die freundliche Mail-Schreiberin gleich vorwegnehmen: Man schätze meine Arbeit und sei „zugleich in puncto Vergütung an sehr strenge Vorgaben seitens der Stiftung gebunden. Das verfügbare Honorar beträgt 75 Euro plus die Fahrtkostenerstattung.“

Na ja, in der Eile vergisst man schon mal eine Null. Denn mir ein solches „Honorar“ für eine dreistündige Veranstaltung anzubieten, hätte nicht mal der Fotoclub Hintertupfig gewagt. Die Antwort: Nein, da fehle keine Null. Aber – so wörtlich! – die gute Nachricht sei, dass ich die Fahrtkosten mit 20 Cent pro Kilometer bei Nutzung des Autos ersetzt bekäme. Das ist nun sicherlich ein ganz außergewöhnliches Entgegenkommen, einem Referenten auch noch die Fahrtkosten zu erstatten. Aber wir sind noch nicht am Ende!

Da die Veranstaltung morgens um 9 beginnen sollte und ich mit rund vier Stunden Fahrtzeit rechnete, hätte ich um 5 losfahren müssen, wäre ich mit dem Auto gefahren – die Bahn ist angesichts ständiger Ausfälle, Verspätungen, verpasster Anschlüsse und Streiks trotz geschärften Umweltbewusstseins leider keine realistische Option mehr. Kurz zuvor waren bei einem Vortrag in Hildesheim kurzfristig die gebuchten Züge für Hin- und Rückfahrt ersatzlos ausgefallen. Hätte ich wirklich die Bahn genommen, hätte ich zudem kurz vor Mitternacht losfahren müssen und bereits nach dreimaligem Umsteigen mit stundenlangen Wartezeiten morgens um halb acht Chemnitz erreicht.

Das wollte ich mir nun bei aller Liebe zur Konrad-Adenauer-Stiftung doch nicht antun und bat darum, mir dann bitte für die Nacht davor ein Hotel zu reservieren. Die Antwort nach ein paar Tagen: Das sei leider nicht möglich, das müsse ich schon selbst bezahlen.

Nun weiß ich ja, dass die CDU vor der letzten Bundestagswahl eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro abgelehnt hatte. Ich rechnete mal zusammen:

  • 3 Stunden Vortrag und Seminar
  • 6 – 8 Stunden Vorbereitung des Vortrags und der PowerPoint-Datei für die Bilder
  • Etwa 7 – 8 Stunden Fahrt nach Chemnitz und zurück

Macht unterm Strich etwa 17 Stunden. Mein Stundenhonorar läge damit bei rund 4,40 Euro – eine Zahl, die man vielleicht sogar in der CDU für etwas niedrig halten könnte. Aber sicher bin ich da nicht.

Die Rechnung ist jedoch noch nicht zu Ende: Statt der gesetzlichen Kilometerpauschale von 30 Cent/km sollte ich ja nur zwei Drittel davon erhalten – ungesetzliche 20 Cent, das ergibt bereits einen Fehlbetrag von 68 Euro (fast so viel wie das ganze Honorar). Da ich für die verbleibenden 7 Euro aber kein Hotelzimmer finde, um wenigstens auf Null zu kommen, würde ich ein negatives Honorar von etwa minus 70 Euro für die außerordentliche Ehre erzielen, einen Vortrag halten zu dürfen. (Vielleicht kannte man bei der Konrad-Adenauer-Stiftung ja meine Vergangenheit als Chefredakteur der Zeitschrift Bikers News und erwartete, dass ich mit dem Motorrad anreise, für das tatsächlich 20 Cent Kilometerpauschale gelten.)

Also sagte ich gar nicht so schweren Herzens ab. Ich hatte ja volles Verständnis dafür, dass eine Stiftung, die laut statistica mit mageren 190 Millionen Euro aus unseren Steuergeldern über die Runden kommen muss (laut ihrem Haushaltsbericht 2020) einen Referenten mit 4,40 pro Stunde abspeisen und ihn sein Hotel selbst bezahlen lassen muss.

(Immerhin hat diese Stiftung einen Vorzug: Sie hat sich nach Konrad Adenauer bekannt, so dass man gleich weiß, welche Werte sie vertritt. Dass demgegenüber die Stiftung der AfD ausgerechnet den Namen des kritischen Humanisten Erasmus von Rotterdam für ihre Zwecke missbraucht, ließe diesen sicherlich mit Überschallgeschwindigkeit in seinem Grab in Basel rotieren.)

Ich muss gestehen, dass diese Behandlung durch die Konrad-Adenauer-Stiftung nicht gerade die Wertschätzung widerspiegelte, die ich als der „ideal geeignete ... Experte, der sich unter anderem mit der Entlarvung von Bildfälschungen auseinandersetzt“ erwartet hatte. Aber wahrscheinlich war selbst dieser Satz nicht weiter ernst zu nehmen, denn auf Facebook hatte man ein paar Tage vor der Mail an DOCMA dazu aufgerufen: „Kennt jemand einen geeigneten Referenten, der etwas zu der Frage „Photoshop, Inszenierungen und rote Kreise: Wie werden Fotos manipuliert – und wie erkennen wir, was wir sehen sollen?“ beitragen könnte?“ Vergessen wurde dabei der Einschub: „ ... und der blöd genug ist, das unter den von uns angebotenen Bedingungen wirklich zu machen.“

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